FckU Cancer
Aus heiterem Himmel.
Dezember 2017 - Es ist kalt und regnerisch. Das richtige Wetter, um in der Sauna Wärme und Abwehrstoffe zu tanken. Sara - meine Tochter, Freundin und Vertraute, hat noch Sauna-Freikarten, die demnächst ablaufen. Wir haben beide in diesem Jahr noch nicht viel für unser körperliches Wohlergehen getan, deshalb beschließen wir spontan, die Sauns-Freikarten für einen gemeinsamen Wellnesstag zu nutzen.
Irgendwie bekommt mir die Sauna aber nicht so gut, wie gewohnt. Ich vertrage die Hitze nicht. Besonders meine rechte Brust reagiert sehr empfindlich. Die Sensibilität nimmt in den nächsten Tagen sogar noch zu und ich beschließe, einen Kontrolltermin bei meiner Gynäkologin zu vereinbaren. Meine reguläre Kontrolluntersuchung ist sowieso fällig.
Ich rufe in der Praxis an und vereinbare einen Termin für die erste Januarhälfte.
Die unklare Situation beschäftigt mich in den nächsten Tagen mehr, als ich mir selber eingestehen will. Wieder und wieder taste ich meine Brust ab. Aber da sind keine Knoten fühlbar. Nur die Brustwarze scheint leicht verändert. Warum habe ich so selten meine Brust begutachtet? Gibt es Grund zur Sorge, oder nicht? Soll ich vielleicht doch auf einen früheren Untersuchungstermin bei meiner Ärztin drängen?
Nein! - Jetzt bloß nicht hysterisch werden!
Aber das ungute Gefühl bleibt; über Weihnachten, über Silvester, an meinem Geburtstag.
11. Januar 2018, Arztbesuch - Ich bitte die Gynäkologin um eine Ultraschalluntersuchung. - Ja, es ist mir bekannt, dass ich die Kosten dafür selber tragen muss. Ich entrichte die Gebühr und erhalte die gewünschte Brustbeschallung.
Das Bild, das auf dem Monitor zu sehen ist, ist auch für mich als Laie eindeutig: So sieht keine gesunde Brust aus. Ich bin wie paralysiert.
Die Ärztin stellt mir eine Überweisung zur Mammographie aus. - Ob ich weiß, wo ich die Untersuchung durchführen lassen möchte. Ja, Ja, Ich weiß schon. Alles klar. - Ich soll zusehen, dass das Institut den Befund direkt faxt. Sie ruft mich dann an, sowie sie den Befund hat, zwecks Absprache der nächsten Schritte. - Ja klar. Alles verstanden. So machen wir‘s.
Wieder draußen vor der Praxis. Eigentlich müsste ich jetzt zur Arbeit fahren... - Oder vielleicht rufe ich erst mal in einem Röntgeninstitut an und vereinbare einen Termin?! - Doch welches Institut nehme ich? Das, mit der besten Technologie? Oder das, mit der kürzesten Wartezeit? Lieber in der Nähe meines Wohnortes, oder mit Anbindung an eine gute stationäre Gynäkologie?
Ich setze mich ins Auto und fahre erst mal los.
Nein - beschließe ich - nicht zur Arbeit! Ich fahre jetzt erst mal nach Hause und versuche, die Situation wieder unter Kontrolle und den Kopf wieder frei zu bekommen.
Zu Hause angekommen, rufe ich ein Röntgeninstitut an, das ich schon von anderen Untersuchungen kenne. Offensichtlich die richtige Wahl: Auf Grund des Anfangsverdachts erhalte ich einen Termin in schon vier Tagen - inklusive anschließendem Arztgespräch!
Erstaunlich, wie kurzfristig ein Termin ermöglicht wird, wenn die medizinische Indikation dies erfordert. Erst jetzt begreife ich die Tragweite und den Ernst der Lage. Ich rufe auf der Arbeit an und nehme mir für den Rest der Woche frei; ohne Angabe von Gründen.
15. Januar 2018, vormittags, Radiologisches Institut
Pünktlich und routiniert erfolgen Mammographie und Sonographie beider Brüste, gefolgt vom anschließenden Arztgespräch.
Professionell, aber einfühlsam bekomme ich von zwei Ärzten vermittelt (Irrtum ausgeschlossen), dass in der rechten Brust ein Karzinom mit mind. drei Herden diagnostiziert worden ist. Eine möglichst kurzfristige anzusetzende Operation ist unumgänglich. Außerdem besteht weiterer Untersuchungsbedarf, um eine eventuelle Metastasenbildung zu prüfen.
Um keine Zeit zu verlieren vereinbaren wir direkt für den übernächsten Tag eine Stanzbiopsie der rechten Brust, ein Knochen-Zintigramm und die Untersuchung von Leber und Bauch. Zu den Untersuchungen soll ich mit Begleitung kommen, da ich leicht sediert werde und anschließend nicht alleine herumlaufen soll.
Wie sag ich's meinen Lieben?
Es gibt keinen Zweifel mehr, ich habe Brustkrebs und werde dies meinem Mann, meiner Familie, meinen Kollegen und meinen Freunden mitteilen müssen.
Die Übermittlung schlechter Nachrichten, die mich selbst betreffen, sind nicht meine Stärke. Außerdem befindet sich die Person meines Vertrauens - mein Mann - gerade jetzt unterwegs nach Regensburg. Woher soll ich nun die Kraft nehmen für die nächsten Schritte? Ich bin außerstande, Entscheidungen zu treffen, geschweige denn, meinen Kollegen oder sonst jemandem die erhaltene Diagnose „Brustkrebs“ mitzuteilen...
… Ich fühle mich gerade überhaupt nicht einsatzfähig! - Körperlich vielleicht noch - aber seelisch, moralisch bin ich voll neben der Spur.
Ich entschließe mich dazu, als nächstes meinen Hausarzt aufzusuchen und um eine Krankmeldung zu bitten, um meine Gedanke zu sortieren, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und Kraft zu schöpfen.
Der Beginn einer neuen Zeit, oder der Anfang vom Ende?
Die nun folgenden sechs Wochen werden ausschließlich vom Krebs beherrscht:
> Der Krebs bestimmt meine Zeitplanung!
> Der Krebs drängt in mein Familienleben, meine Freundschaften, mein Arbeitsleben!
> Der Krebs bedroht massiv mein körperliches und seelisches Wohlbefinden!
Eine Situation, die emotional nur schwer zu ertragen ist und sehr stark durch die eigenen, persönlichen Empfindungen geprägt ist. Deshalb ist dieser Zeitraum im Folgenden nur kurz durch einige markante Eckpunkte dokumentiert:
15. Januar 2018, nachmittags. Krankmeldung beim Hausarzt geholt.
Nun habe ich eine ganze Woche Zeit, mich mit der neuen Situation auseinander zu setzen und mein Umfeld auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten.
16. Januar, Erhard zurück aus Regensburg. Ich hab's nicht geschafft, meinem Mann mit einfühlsamen Worten meinen veränderten Gesundheitszustand zu vermitteln. Statt dessen nur zwei kurze Sätze, ohne Blickkontakt. Und dann bin ich auch noch abgehauen. - Nicht gut gelaufen; gar nicht gut! - Aber, nach dem ersten Schock ist klar: Erhard wird an meiner Seite sein und mich stützen, wenn ich Hilfe brauche. - Meine Anspannung lässt merklich nach und ich fühle mich nicht mehr so alleine mit meiner Diagnose. Ich empfinde eine große Dankbarkeit für diesen lieben und geliebten Menschen an meiner Seite. Der Krebs erscheint nicht mehr so bedrohlich. Aber um Erhard mache ich mir Sorgen.
17. Januar; Biopsie, Knochenszintigramm, Ultraschall. Bei allen Untersuchungen ist Erhard immer an meiner Seite. Ohne ihn hätte ich das alles gar nicht verstehen und begreifen können. Das einzig Gute an all diesen Untersuchungen ist: es wurden keine Metastasen festgestellt. - Wieder ein Augenblick der Dankbarkeit. Schließlich hätte das Ergebnis auch anders ausfallen können.
25. Januar; Vor-stationäre Aufnahme im Krankenhaus. BrustzentrumKoblenz: Noch mehr Untersuchungen und noch mehr Arztgespräche. Das kann man gar nicht alles aufnehmen; geschweige denn verarbeiten. Und wieder ist Erhard von Anfang an dabei und weiß die Fragen zu stellen, die mir in meiner Aufregung nicht einfallen.
08. - 13. Februar: Karneval. - In meinem Kopf waren in diesen Tagen viele verrückte Gedanken. Jedoch mit Karneval hatten die rein gar nichts zu tun. Statt dessen habe ich ein paar Selfies von mir gemacht. (Eher Abschiedsfotos von meinen Brüsten: Leicht verrucht, mit weit geöffneter Jacke… Aber immerhin noch mit zwei Brüsten! Auch das sollte mal dokumentiert worden sein! - Später geht's schließlich nicht mehr!) - Aber auch Dinge wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht wollen rechtzeitig vor der OP überlegt, verfasst und hinterlegt werden.
.09. Februar, Mastektomi re. (so der medizinische Fachbegriff für die Amputation der rechten Brust)Eine Brustamputation hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Die Wundschmerzen sind erträglich und lassen bald nach. Auch löst der Anblick meiner fehlenden Brust keinen hysterischen Schreikrampf bei mir aus. Eher drängt sich mir die Frage auf, ob nicht besser beide Brüste amputiert worden wären, um weiteren Brustkrebs zu vermeiden. Dieses Thema mag der Doc (noch) nicht mit mir diskutieren. Erst müssen die pathologischen Untersuchungsergebnisse vom Brustgewebe und von den beiden entfernten Lymphknoten vorliegen und in der Tumorkonferenz besprochen werden, ehe über die nächsten Schritte gesprochen werden kann.
13. Februar, Entlassung aus der Klinik. Jedoch vorher gibt's für mich noch einen persönlichen Besuch vom Sanitätshaus mit einer guten Auswahl an BHs und Brustprothesen. Qualität und Aussehen dieser Hilfsmittel sind überraschend angenehm und ausgesprochen modisch. Nach einer - mal ganz anderen - "Dessous-Anprobe“, bin ich mit einer "Erstausstattung" versorgt und verlasse die Klinik, rein äußerlich, als vollwertige Frau. - Für sensible Seelchen sicherlich sehr wichtig.
Wie geht's weiter?
Gespräche mit Sozialdienst, Krankenkasse, Krebsstiftung, VdK ... Suche nach Ansprechpartnern, Selbsthilfegruppen...
22. Februar, Arztgespräch zu den Ergebnissen der pathologischen Untersuchung des abgenommenen Brustgewebes nach der Beratung der Tumorkonferenz. - Fazit: Weiteres Warten auf weitere notwendige patologische Untersuchungen zur Konkretisierung meines Therapieplans.
Anfang März, Eine Woche Urlaub im Tiefschnee. Darin enthalten: der Anruf der Klinik zur Therapiebesprechung: Die volle Dröhnung - Angefangen mit monatelangen Chemos, über Bestrahlung bis hin zur jahrelangen Anti-Hormon-Behandlung. Als Sahnehäubchen dann noch eine humangenetische Beratung in der Uni-Klinik Köln.
Trotz eines mulmigen Gefühls vor dem Ungewissen empfinde ich Freude: der Urlaub war genau richtig platziert vor dem Therapiebeginn: Noch einmal Sonne, Kraft und gute Laune tanken, ehe die harte Zeit der Therapie beginnt.
Ich ahne, die kommende Zeit wird mir viel Disziplin und noch mehr Durchhaltevermögen abverlangen. Diese Zeit, wird das Verständnis, die Geduld und die Toleranz meines Mannes, meiner Familie und meiner Freunde auf eine harte Probe stellen. Das wird nicht immer leicht sein.
Sicherlich wird es an der einen oder anderen Stelle zu Missverständnissen kommen. Um so wichtiger ist es, offen über die gegenseitigen Herausforderungen und Erwartungen zu reden. Denn Angehörige und Freunde haben nur dann eine Chance zu helfen und zu unterstützen, wenn sie die Problematik nachvollziehen und die Unterstützungs-ansätze sehen können. Dass das klappen wird, sehe ich - wie immer- optimistisch.
Die Chemophase und ihre Nebenschauplätze
Der erste Chemo-Zyklus.
So eine Chemo dauert einen ganzen Tag lang und wird alle drei Wochen wiederholt; vier Mal... Das reicht dann auch vollkommen!
Spätestens beim 4. Mal hat man das Wirkprinzip verstanden: das ganze Immunsystem wird systematisch platt gemacht; bei jeder Infusion ein bißchen mehr, bis man am Ende des Zyklus froh ist, dass man es überstanden hat.
Der zweite Chemo-Zyklus
Die Dauer der einzelnen Chemos ist kürzer, als beim ersten Zyklus (na ja...), aber die Medikation ist nicht so aggressiv (naja...). Die Behandlungen/ Sitzungen finden wöchentlich statt über einen Zeitraum von 12 Wochen... 🙂. - Und Tätäää !!!!! - Die Haare wachsen wieder 😃.
Was soll ich sagen: "Hashtag #läuft." - Hi Hi Hi 🙃🤣😜
Nebenschauplätze und Begleiterscheinungen
Ohne Haare geht auch - Meine Zweitfrisur vom "Skalpdesigner" - Mit der Information, dass eine Chemotherapie unumgänglich ist, drückte mir mein Doc vom Brustzentrum auch ein Rezept für eine Perücke in die Hand (nennt sich im Rahmen der Chemotherapie Zweithaar).
Diese eher rauh anmutende Gesprächsführung ist m.E. strategisch wohl überlegt. Denn der erste Gedanke, der einem beim Wort Chemotherapie in den Kopf schießt, ist tatsächlich auf den Verlust des Haupthaares ausgerichtet. Der Erhalt einer solchen Verordnung nimmt dieser unschönen Hiobsbotschaft die schlimmste Härte. Ergänzend dazu gab es dann noch ein paar Adressen von “Zweithaarstudios”, wo man eine solche Verordnung einlösen kann.
Ich entschied mich für den Salon von Oliver Schmitz im Hundsrück. Das ist zwar ein ziemlich weiter Weg, aber es lohnt sich! Oliver ist ein begnadeter (Zweit)Haarstylist! Er überzeugt nicht nur durch seine fachliche Kompetenz, sondern hat darüber hinaus auch noch großartige, menschliche Qualitäten wie Einfühlungsvermögen, Geschmack, Stilsinn und eine realistisches Einschätzung von Situationen und Menschen. Last but not least, haben das Ambiente snes Salons und die offene Freundlichkeit seines Teams zu einem angenehmen, entspannten Aufenthalt beigetragen.
Beim ersten Betreten von Olivers Salon empfand ich Scheu und Unsicherheit. Als ich ein paar Stunden später - mit neuer Übergangsfrisur - den Salon beschwingt und selbstbewusst wieder verlasse, war ich überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben. Ich fühlte mich rund um gut beraten und menschlich in vertrauensvollen Händen. Der bevorstehende Haarverlust konnte mich nicht mehr schrecken. Dem Scheren meiner in Kürze ausgehenden Haare - verbunden mit dem Wechsel zur Perücke - sah ich nun mit Spannung entgegen.
Mal ehrlich - das Ergebnis ist doch echt geil, oder?
Aber nicht immer steht einem der Sinn nach dem "Fiffi". Denn es gibt Situationen, da wird einem recht kalt und zugig ums nackte Köpfchen (z.B. nachts). Dafür habe ich mir Alternativen zum Zweithaar zugelegt: Tücher, Mützen Beanies und Schlauchtücher in allen Farben, Formen und Größen. - Ich kann stundenlang vorm Spiegel stehen, um neue Binde-und Falttechniken für ein stylisches Outfit auszuprobieren...😃
Die Chemo-Chikas vom Koblenzer Marienhof
Chemo-Sitzungen - eine Mischung aus Kaffeeklatsch und Wellness ?? - oder was??
!!! wird zur Zeit noch erarbeitet!!!
Überraschung: Das Leben geht weiter - aber anders!
Tag Einhundertundsiebzig seit der Diagnose "Brustkrebs"
Wenn ich heute in mich hinein horche, stelle ich überrascht fest, dass mir der Krebs keine Angst machen kann. Vielmehr erlebe ich ihn als Herausforderung am Beginn eines neuen, weiteren Lebensabschnitts: ... dem Beginn meines (Un)Ruhestandes.
Habe ich anfänglich die Nachricht, Krebs zu haben, für einen üblen Streich des Schicksals gehalten (Na bravo - jetzt, wo ich bald in Rente gehe, kriege ich Krebs! So eine Sch...), so empfinde ich dies heute als ein besonderes Geschenk.
Der anfängliche Fatalismus ist arglosem Staunen und großer Dankbarkeit gewichen: Von einem Augenblick zum Anderen wurde mein Leben viel intensiver. Ich weiß nun, wie kostbar Zeit ist und welche Dinge mir im Leben wirklich wichtig sind. Ich möchte jeden einzelnen Tag, jeden Augenblick ganz bewusst erleben. Deshalb werde ich meine Zeit zukünftig mit den Menschen genießen, die mir wichtig sind und die Dinge machen, die mir gut tun. - Klingt nicht wirklich viel anders, als mein altes Lebensmodell. Nur dass ich jetzt tatsächlich danach lebe! Allerdings viel direkter, näher, wacher und bewusster als noch vor wenigen Monaten.
Laugh when you can, apologize when you should and let go of what you can't change.
Kiss slowly, play hard, forgive quickly, take chances, give everything and have no regrets.
LIFE IS TOO SHORT TO BE ANYTHING BUT HAPPY.